Der Tag X

Für die letzten Raucher unter uns wird es ernst. Der Betreiber eines Restaurants teilte mir mit, ja, man werde der in Hessen anberaumten Raucherverbannung Rechnung tragen „müssen“ (er sagte „müssen“ und nicht etwa „wollen“) und ein Rauchverbot im Gastraum verhängen.

Gücklicherweise sei man in der Lage, einen Nebenraum für Raucher anzubieten. Der wird allerdings nur ein Reservat für die letzten Abhängigen sein, und nicht der Wohlfühlraum, den die übrige Gaststätte darstellt. Mit bedenklichem Blick fügte der Mann noch hinzu, daß ihm jene Gastwirte leid täten, die nicht die Möglichkeit haben, zwei verschiedene Räume anbieten zu können. Die treibe nun die Angst um, daß nach dem Tag des Inkrafttretens des Rauchverbots Gäste ausbleiben werden.

In Baden-Württemberg, wo das Rauchverbot seit August gilt, leiden nach einer Umfrage des Gaststättenverbandes kleine Lokale und Discos unter Gästeschwund. Jeder zweite Betrieb fürchte derzeit um seine Existenz. Und mehr als zwei Drittel der Befragten glauben, dass wegen des Rauchverbots Arbeitsplätze verloren gehen. An dieser Stelle läuft etwas aus dem Ruder, finde ich, denn solche Gaststätten, die über wenig räumliche Alternativen verfügen, sind jedenfalls ab dem Datum des Rauchverbotes gegenüber Zweiraumgaststätten benachteiligt.

Wäre nicht eine Regelung der Art, daß ein Gastwirt seine Gaststätte als „Raucher“- bzw. „Nichtraucher“-Lokalität ausweist, liberaler und also auch kundenfreundlicher gewesen? In welche Gaststätte einer geht, kann er dann immer noch frei entscheiden.

Und verstehen Sie mich nicht falsch. Ich bin selbst Nichtraucher. Kein „bekehrter“ Raucher, sondern wirklich abstinent seit Geburt. Dennoch erscheint mir das Rauchverbot in seiner bundesdeutschen Prägung befremdlich. Es handelt sich dabei, wie mir scheint, um eine Erziehungsmaßnahme, für die wir angeblich mündigen Bürger unsere Politiker doch eigentlich gar nicht gewählt haben.

Und wenn unsere Raucher demnächst aus den Lokalen flüchten, um sich ihre Zigarette unter den vor den Kneipen aufgestellten Wärmepilzen anzustecken, dann sehe ich schon die nächste Krisendiskussion am Horizont. Denn das stellt doch wohl das genaue Gegenteil unserer Klimaschutzbemühungen dar: Die Terrasse und den Hof zu heizen, damit die Gäste dableiben. Wenn erst einer unserer Politiker auf diesen Mißstand aufmerksam wird, dann steht bald wieder ein neues Gesetz an, wetten?

Taff

Das Rednerpult auf der Bühne des Oberissigheimer Bürgerhauses ist ein großvolumiges Trumm aus Holz.

Es vermag die dahinter stehenden Redner schon alleine durch sein eindrucksvolles Volumen aufzuwerten. Politiker, hohe Gäste und Ehrenredner erscheinen hinter einem eindrucksvollen Rednerpult bedeutsam.

Ein mächtiges Rednerpult zieht also die Blicke auf sich und erwirkt so bereits Aufmerksamkeit, noch bevor überhaupt das erste Wort gesprochen ist.

Die Bruchköbeler SPD hatte nun am Freitag die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti zu ihrer Wahlveranstaltung in das Oberissigheimer Bürgerhaus eingeladen. Als die Kandidatin die Bühne betrat, an das erwähnte Rednerpult schritt, und wir dort drunten nun alle auf das einleitende Wort warteten, verfinsterte sich jedoch Frau Ypsilantis Miene urplötzlich. „Oh, oh...!“, so lauteten ihre ersten Worte am Mikrofon, und dann: „So kann ich hier aber nicht sprechen!“

Offensichtlich, so die Kandidatin, seien hier in Bruchköbel die Rednerpulte nur für Männer gemacht, nämlich viel zu hoch ausgelegt für eine eher zierlich gebaute Spitzenkandidatin wie eben Frau Ypsilanti.

Wir politikinteressierten Jungs in den vorderen Reihen konnten ihr da nur beipflichten, denn mehr als die wachen Augen der Kandidatin waren für uns in diesem Moment in der Tat nicht zu sehen von der nicht zuletzt auch für das Männerauge recht interessant anzuschauenden Kandidatin. Will heißen: sie verschwand einfach hinter dem gewaltigen Rednerpult. Das hatte mit ihrer eher zierlichen Statur zu tun.

Die SPD-Helferriege geriet glücklicherweise flugs in Bewegung. Man schaffte blitzschnell einen Bierkasten herbei und ein Brett für obendrauf. Solchermaßen buchstäblich angehoben, konnte Frau Ypsilanti ihre Wahlkampfrede nunmehr ordnungsgemäß beginnen. Es ist übrigens eine taffe Ansprache vom Typ „Haare auf den Zähnen“ geworden.

Ypsilanti-Bruchkoebel

Der hiesige SPD-Kandidat für den Bürgermeisterwahlkampf, Perry von Wittich, versprach anschließend, daß er sich für das Oberissigheimer Bürgerhaus um ein auch für eher zierliche Frauen geeignetes Rednerpult bemühen werde, falls seine Kandidatur zum Erfolg führen werde. Und wir Jungs dort drunten im Publikum, wir fanden, daß dieses Wahlversprechen unbedingt zu unterstützen ist.

Dracula

Auf einer kleinen privaten Feier konnte ich am Wochenende eine Fakir-auf-Scherben- Einlage der Bruchköbeler Theatertruppe „Frischluft“ miterleben. Zwar floss dabei kein Blut, aber bei dieser passenden Gelegenheit gab ein Sprecher der Frischluftler dem Publikum bekannt, daß man gerade an einem Stück arbeitet, das im April nächsten Jahres in einer eigenen Fassung uraufgeführt wird. Für mich überraschend, gedenkt man dann nämlich, „Dracula“ auf die Bühne zu bringen.

Die Ankündigung dieses Stückes um den zig-mal verfilmten transsylvanischen Vampir weckte bei mir ganz persönliche Erinnerungen. Zum Beispiel an das alte Kino in Mittelbuchen, wo ich meinen ersten „Dracula“-Film erleben durfte. Solche Filme liefen damals ab 16 Jahren, es gelang uns aber immer wieder, auch schon als Zwölf-, Dreizehnjährige an den Kontrolleuren vorbei in den Kinosaal zu schlüpfen.

„Dracula“, das war für uns Kinder zu jener Zeit harter Stoff, obwohl wir die Abgründe dieser Grusel-Romanze damals noch nicht recht haben ermessen können. Vor allem die erotische Symbolik erschloss sich uns halbwüchsigen Helden damals noch nicht wirklich.

Und jetzt also diese Geschichte, in einer Version direkt aus Bruchköbel.

Ich finde, das ist eine Besonderheit.

Bestimmt verwirklichen die Akteure damit einen alten Jugendtraum. Jedenfalls, das Stück muss ich mir ansehen, wenn es so weit ist.

Der Bruchköbeler „Dracula“ wird einen Tournee-Siegeszug antreten, dessen bin ich mir ganz gewiss. Das Thema ist einfach zu aktuell, geht es doch auch in „Dracula“ im Grunde wieder nur um das Eine, einzig Spannende auf dieser Welt, nämlich das schwierige Verhältnis der Geschlechter zueinander.

„Dracula“ überspitzt die Geschlechterfrage im Grunde nur ein wenig. Der Grundkonflikt ist und bleibt doch immer wieder der Gleiche. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann fragen Sie Ihren Partner, beziehungsweise Ihre Partnerin.

Na ja. Wie auch immer. Die Frischluftler haben übrigens schon ein tolles Plakat für ihren „Dracula“ entworfen, das man unter www.theater-frischluft.de besichtigen kann.

Servicewüste

Er ist inzwischen zum geflügelten Wort geworden, der Begriff „Servicewüste“.

Mit dieser Bezeichnung belegen gewöhnlich weit gereiste Wirtschaftsjournalisten die Art und Weise, wie man in einem deutschen Restaurant sein Bier serviert bekommt, oder wie man in einem hiesigen Kaufhaus beraten wird.

Angeblich, so heisst es, werde der deutsche Kunde im Vergleich zu den Kunden in anderen Ländern schlechter bedient, lieblos abgefertigt und dazu noch scheel angeschaut, wenn er am Ende das angemessene Trinkgeld verweigert. Demgegenüber stehe es im Ausland besser um den Kunden. Dort huschen angeblich die Bedienungen und Servicebeauftragten nur so um einen herum, voll des Eifers, es dem Kunden wohl ergehen zu lassen.

Ich kann diese Eindrücke allerdings nicht bestätigen. Ich fühle mich in der Regel im Ausland ganz ähnlich bedient wie in Deutschland. Zum Beispiel wüsste ich kein einziges Bruchköbeler Restaurant zu nennen, wo man es mir gegenüber bisher etwa an der gebotenen Zuvorkommenheit hätte fehlen lassen. Auch meine Autowerkstatt, mein Versicherungsagent, oder zum Beispiel die Damen im Bruchköbeler Passamt sind mir gegenüber stets freundlich gewesen. Vielleicht geht es anderen nicht so gut wie mir, aber ich habe da die Theorie, daß es halt aus dem Wald für gewöhnlich so herausschallt, wie man vorher hineingerufen hat.

Und was das Ausland betrifft: Dort werde ich ebenfalls in der Regel völlig zufriedenstellend bedient. Ich kann das zwar nicht generalisieren, weil ich noch nicht jedes Land dieser Welt besucht habe. Aber ich halte mich immerhin für einen völlig unauffälligen Durchschnittskunden, meine also, daß ich mir ein Urteil dazu anmaßen kann, wie es einem als Kunden etwa an einer französischen Tankstelle, in einem ungarischen Supermarkt oder in einem spanischen Restaurant ergeht: nämlich nicht viel anders als hierzulande.

Andererseits kenne auch ich eine Servicewüste, eine sehr große sogar. Die nennt sich „Internet“, und wer dort kauft, der wird normalerweise so unpersönlich bedient, wie es nur irgend vorstellbar ist. Auf eine Bestellung bekommt man in der Regel ein formales e-mail, wie es hundert andere Käufer auch bekommen. Will man irgendwann eine Lieferung persönlich reklamieren, landet man bei den angegebenen Telefonnummern in Warteschleifen, für die nicht selten Sprechgebühren anfallen. Verzweifelt sendet man dann ein e-mail und hat abzuwarten, wie die Reaktion ausfällt.

Servicewüsten haben halt ihren eigenen Flair.

Frühstücksfriede

Eine meiner regelmäßig studierten Tageszeitungen macht seit Wochen intensive Werbung für ein bedeutsames Ereignis.

Man wird nämlich in dieser Woche die Zeitung auf das sogenannte „Tabloid“-Format umstellen. Darunter ist zu verstehen, daß die Zeitung in Zukunft nur noch halb so groß, dafür aber doppelt so dick erscheinen wird. Das Blatt kann man dann auch im Zug oder im Bus umblättern, ohne daß der Nachbar sich gestört fühlen muss, heisst es.

Auffallend ist, daß meine Zeitung für diesen Vorgang eine außergewöhnlich aufwendige Überzeugungs- und Schulungskampagne gefahren hat. Nahezu an jedem Tag in den vergangenen Wochen gab es für die Leser Sonderseiten zu diesem besonderen Ereignis zu lesen. Mit der Umstellung des Formates werde nicht nur die Handlichkeit, sondern auch gleich der gesamte Zeitungsinhalt besser, hieß es. Alles werde viel klarer und völlig neu strukturiert, sei ab nun übersichtlicher zu erfassen, und komme viel aktueller ins Haus.

Man wolle dem Zeitungskunden auch nicht mehr zumuten, daß das, was er morgens auf Seite 1 zu lesen bekomme, die Schlagzeilen aus den „Tagesthemen“ vom Vortag seien. Bei dieser Mitteilung musste ich stutzen. Was, so dachte ich, wenn die Ereignisse dem so postulierten Eifer meiner Zeitungsredakteure hinterherlaufen? Wenn also so viel Neues, wie angekündigt, über Nacht sich gar nicht einstellen will? Wenn zum Beispiel die Eintracht 0:3 verloren hat, und ich das am Abend in den „Tagesthemen“ erfahren habe, was für eine Meldung will meine Tageszeitung dann daraus am nächsten Morgen fabrizieren?

Na ja. Ich werde mich überraschen lassen.

Am Samstag übrigens lag meiner immer noch im altmodisch alten Format gedruckten Tageszeitung schon mal ein Probeexemplar der neuen „Tabloid“-Version bei. War schmuck anzusehen. Nicht schlecht, dachte ich.

Dann aber entdeckte ich, daß die neue Zeitung nunmehr mit Heftklammern zusammengehalten wird. Da werde ich ein Problem bekommen. Beim Frühstück erweist es sich nämlich immer wieder als nützlich, der Ehegattin den Lokalteil abzugeben, damit man, um das übrige Weltgeschehen zu erfassen, in Ruhe den Politikteil, das Feuilleton und die Aktientabellen studieren kann.

Die neue Zeitung im „Tabloid“-Format ist aber mit Klammern zusammengeheftet, da wird es schwer mit dem Herausgeben des Lokalteils. Ich werde folglich meiner Tageszeitung den Tip geben, an die Kunden Werbegeschenke zu verteilen: kleine, praktische Heftklammernentferner, mit denen man das neuen Format „entklammern“ kann. Ich selbst besorge mir schon mal einen. Auf dass der Frühstücksfriede gesichert bleibe.
Wallonisch

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