Musik, Musik!

Radio Gaga...

Nach langer Zeit hörte ich letzthin einmal wieder in eine CD von Peter Volland herein, einem ex-Bruchköbeler, der vor ein paar Jahren in einem Schönecker Studio ein stimm- und gitarrengewaltiges Werk aufgenommen hat.

Schöne Lieder ohne Elektrolärm, in klarer Präsenz, zeitlos und nicht alltäglich. Ein tolles Album, das es aber leider nicht in die allheiligen „Charts“ geschafft hat.

Dort herrschen nämlich andere Klänge vor. HR1 zum Beispiel, früher ein Magazin-Kanal mit interessanten Reportage-Beiträgen, klingt seit einiger Zeit genauso, wie ein allseits bekanntes „Hit-Radio“ oder das gute alte HR3 schon seit eh und je ertönen.

Die meisten Radiosender scheinen heute nur noch über ein Repertoire von maximal 50 Liedern zu verfügen, die sie in sogenannte „Oldies“ und sogenannte „Hits“ unterteilen. Diese spielen sie die ganze liebe Woche lang herauf und wieder herunter. Dazwischen veranstalten die Ansager ein hastiges Kommentar-Stakkato, dessen einziger Zweck darin zu bestehen scheint, den Hörer vom Umschalten abzuhalten.

Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel über die seit einigen Jahren grassierende Mode der Tonstudios gelesen, jedwede leise Passage aus den Musikaufnahmen herauszumischen. Das bedeutet, daß zum Beispiel ein leises Vorspiel, eine zierliche Flöte oder eine Solo-Violine in der Lautstärke so heraufgefahren werden, daß hernach das ganze Lied auf gleichbleibend hohem Lautstärkepegel erklingt.

An solchermaßen abgemischten Liedern, pardon, Hits, höre sich der Mensch schneller satt, so soll ermittelt worden sein. Daraus folgt, daß sich Hits heutzutage nicht mehr so lange in den Charts halten wie früher. Es muss schneller als früher Ersatz her. Man kann also in den Verlauf eines Jahres mehr Hits hineinpressen, sprich, verkaufen.

Allerdings gehen die Verkaufszahlen der Musikfirmen seit einigen Jahren nach unten. Die Firmen sagen, es läge an den Raubkopien.

Wenn ich länger als ½ Stunde unsere Hit-Radiosender anhöre, dann komme ich auf den Gedanken, daß es auch etwas mit der Qualität zu tun haben könnte.

Die alten Lieder und was sie uns sagen

Meiner Ansicht nach bildet sich der Musikgeschmack der meisten Leute schon kurz nach der Pubertät heraus, also während derjenigen Lebensphase, in der Menschen ihre erste ernsthafte Liebe erleben, und, was natürlich dazugehört, ihre erste(n) ernsthafte(n) Enttäuschung(en) durchmachen müssen.

Seien wir doch mal ehrlich zu uns selbst: Die Lieblingssongs, die wir heute immer noch hören und die seitdem praktisch unser ganzes Leben bestimmen, stammen doch fast immer aus der Zeit, als wir 15, 16, 17 Jahre alt gewesen sind. Bei mir zum Beispiel ist das weltberühmte „Angie“ der noch weltberühmteren „Rolling Stones“ ganz eng mit den Gefühlen um eine unerreichbare blonde Bruchköbeler Schönheit aus den 70ern verknüpft.

Damals, als sich herauskristallisierte, dass das mit dem Mädel nicht so richtig was werden wollte, war das melancholische „Angie“ gerade in der „Bravo“-Hitparade und erklang praktisch aus jedem Radio. Und wiewohl meine Bruchköbeler „Angie“ eigentlich ganz anders hieß, traf das Lied dennoch genau meine Stimmung. Vermutlich werde ich deswegen auch heute noch manchmal ein bisschen schwerblütig, wenn „Angie“ aus irgendeinem Lautsprecher ertönt, und zwar besonders dann, wenn ich dazu noch ein Glas Chianti intus habe.

Ein anderer Song der Stones, und dazu meine erste Schallplatte überhaupt, war „Get off of my Cloud“. Das war eine wilde Nummer, die mich am Beginn meiner Pubertät beflügeln half, in jenen wilden Lebenstanz einzutreten, der bis heute noch nicht aufgehört hat. Ich bin damals manchmal extra in die Eisdiele am Kinzigheimer Weg gegangen und habe 10 Pfennig in die Musikbox geworfen, um die „Rolling Stones“ zu hören.

Die Rückseite von „Get off of my Cloud“ lautete übrigens „I’m free“, und schon damals, als Bub, bekam ich beim Anhören eine Ahnung davon, dass „I’m free“ durchaus das Zeug zu einem echten, wertvollen Lebensmotto haben könnte.

Wohl dem also, der den „Rolling Stones“ richtig zugehört und daraus fürs Leben gelernt hat. Und, übrigens, überhaupt konnte man damals, als Junge, eigentlich nur die Stones ernstnehmen, während die braven Beatles immer nur was für die Mädchen gewesen sind, und weswegen hier von den „Pilzköpfen“ aus Liverpool gar nicht erst die Rede gewesen ist.

Kultureller Aufbruch, endlich mal wieder!

Das Hanauer Bürgerfest macht jetzt richtig Spass

Von Jürgen Dick

Das Hanauer Bürgerfest hat dieses Mal so richtig Spass gemacht. Nach all den Jahren der Stagnation, deren Ursachen, wenn überhaupt, dann nur oberflächlich erörtert worden waren, mal entlang zeitweise unbefriedigender Besucherzahlen oder des Wetters, mal in Bezug auf den angeblich ungünstigen Standort am Mainufer, hat sich etwas Grundlegendes geändert.

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Nicht allzu lange ist es her, daß dem Hanauer Bürgerfest die Verwandlung in eine seelenlose Nullachtfünfzehn-Kirmes gedroht hat. So geschehen während der grandiosen Härtel-Ära. Und hat man dieses Fest nicht sogar noch unlängst ganz aus dem Programmkalender tilgen wollen?

Nun jedoch scheint es, daß der kulturelle Stillstand nachhaltig überwunden ist – und das ist nicht zuletzt auch der Präsenz einiger Mitveranstalter zuzuschreiben, die auszeichnet, dass sie ganz offensiv ein (Musik-) Programm abseits des üblichen Mainstreams anbieten (und für die einfach mal irgendjemand eine Lanze brechen muß).

Die angesagtesten Zelte beim Hanauer Bürgerfest waren bereits im Vorjahr das Halle2-Zelt und das Matrax-Zelt. Mit dem Brückenkopf/DasQbar-Zelt ist diesen beiden Szene-Schwerpunkten heuer ein weiterer Bruder im Geiste zugewachsen. Man konnte somit beim diesjährigen Hanauer Bürgerfest drei Szene-Treffpunkte anlaufen. Früher bezeichnete man das, was dort geboten wurde, als sogenanntes „Alternativ“-Programm.

So ist zum Beispiel der alljährliche, zweitägige „Hoffnungsträger“-Wettbewerb in der „Halle2“ einfach was Besonderes. Mir ist dabei regelmäßig völlig egal, wer gewinnt. Die musizierende Hanauer Jugend bekommt hier die ihr gebührende Möglichkeit, sich zu zeigen und sich auszuprobieren, nicht zuletzt vor all ihren Kumpels, KlassenkameradInnen und, ja, sogar Eltern. Und die ZuhörerInnen bekommen garantiert viel Neues, Interessantes zu sehen und zu hören auf dieser verrückten Halle2-Bühne mit ihrer besonderen Licht-Performance.

Dort ist dann auch sogar das vermeintlich „Alte“ nicht zu verschmähen.

So lässt sich zum Beispiel auf der Basis meiner jüngst gewonnenen Erfahrungen eines Abends im Halle2-Zelt konstatieren, dass im Gegensatz zu den Prophezeihungen aus den Musikfachlättern weder der HipHop noch der Death Metal tot sein können. Insbesondere der HipHop Hanauer Prägung hat etwas Grassroot-Städtisches, im Grunde ist es eine Art Bühnen-Aufführungssportart für junge (zumeist:) Männer, denen es wichtig ist, gehört zu werden. Dieses Bedürfnis ist im Zeitalter des allgegenwärtigen Mediengeraunes elementar, und die Bühne bietet dafür die Verstärkerleistung an, welche dem Youngster im gemeinen vorstädtischen Alltag wie auch beim Anblick der sonntäglichen Christiansenrunde nicht zur Verfügung steht.

Oder nehmen wir den Death Metal. Wann gibt’s den schon mal in der freien Hanauer Wildbahn zu hören? Und vor allem: zu sehen? Das ist eine Musik, mit der man die Eltern aus dem Jugendzimmer hinausbekommen kann. Hier wird im Grunde der Urstoff des Männlichen inszeniert – die Sänger singen im allgemeinen so tief und heiser, dass man entweder den Gottseibeiuns am Mikrofon wähnt oder aber den wahlkämpfenden Joschka assoziiert, was aber wahrscheinlich sowieso so ziemlich dasselbe ist. Als Begleitung zum Sound kreisen Haarschöpfe auf der Bühne wie im Publikum, und man denkt sich: es hätte sich spannend ausgenommen, eine solche Band einmal auf einem Abiturfest zur Zeit der Adenauer-Ära erlebt zu haben - was einem aber zur damaligen Zeit bestimmt missgönnt worden wäre; schon aus ordnungsamtlicher Räson heraus. Wahrscheinlich wäre damals mindestens der Hausmeister gekommen, und der Spaß wäre vorbei gewesen. Daß der heutzutage nicht kommt, macht uns somit bewusst, dass sich gesellschaftliche Fortschritte auch in den kleinen Dingen zeigen.

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Anders als in den Halle2-Licht- und Sound-Gewittern verlaufen die Geschehnisse im Matrax- wie auch im Brückenkopf-Zelt. Hier herrschen zumeist etwas ruhigere Töne vor. Wir erfreuten uns zum Beispiel an einer Irish-Folk-Band mit dem seltsamen Namen „The pig that fell over“. Die Gruppe vermittelt optisch wie musikalisch authentisches Pub-Feeling, so wie das Matrax-Zelt ja übrigens in den Kategorien "Feeling", wie auch "Personal", "Programm" und "Publikum" für den Gewinn des KOZ-Ähnlichkeits-Contests gesetzt werden müsste (aber nur ganz knapp vor dem Brückenkopfzelt, um fair zu bleiben).

Wenn Sie jetzt nicht mehr so genau wissen, wovon die Rede ist, dann haben Sie den „Kenn-ich-mich-in-der-Szene-aus“-Test nicht bestanden, aber machen Sie sich nichts draus.

Fettes Fazit: Nächstes Jahr kommen wir wieder!

Musik, mit dem Kopf gehört

Dem Hanauer Kulturverein ist eine bemerkenswerte 70er-Psychedelic-Show gelungen

Von Jürgen Dick

Der Besuch eines Konzertes der Gruppe "Fantasyy-Factoryy" kann einen echten Flashback auslösen, eine Art mentalen Rücksturz in die Welt der psychedelischen Rockkonzerte der 70er.

Aus dieser Zeit erinnert mancher, der über die 40 hinaus ist, noch die Namen von Kapellen wie "Pink Floyd", "Embryo", "Tangerine Dream" oder "Can". Manche Gruppen hatten später, nach ihren kreativen Experimentalphasen, noch Hits und erreichten somit einen Return of Investment, andere erinnert man nur mehr wie Fossilien einer untergangenen Epoche.

Dem Umstand, dass sich das Publikum durch das Hören der alten Lieder willig in einen Zustand emotionaler wie auch bisweilen geistig-moralischer Regression hineinbegibt, begegnet man im bundesrepublikanischen Kulturgeschehen bekanntlich recht oft. Dies kann bei den unzähligen Coverbandauftritten, den Oldie-Nights und Revival-Konzerten lebensnah studiert werden. Musikveranstaltungen und Popgruppen mit der Garantie auf garantiert nichts Neues haben Konjunktur.

Der Hang zur permanenten Replizierung des Alten stellt wohl den populärkulturellen Mainstream schlechthin dar. Dieser Trend findet heute in Gesellschaft und Politik seine Entsprechung in der an allen Ecken und Enden aufkeimenden Wiederentdeckung von „Werten“ - womit wiederum eine gerade im Entstehen begriffene Volksphilosophie beschrieben ist, die ihre beste Zeit womöglich erst noch vor sich hat. Und daß sich dem Zeitgeist stets auch das passende musikalische Rahmenprogramm beimengt, stellt im Grunde eine Selbstverständlichkeit dar.

Warum, so mag man sich beim Hanauer Kulturverein gefragt haben, es also nicht auch mal mit einer Band versuchen, die den Psychedelic-Flair der 70er Jahre authentisch auf die Bühne zu zaubern verspricht?

Folglich lud man aus Anlaß der Hanauer Museumsnacht die Paderborner Gruppe "Fantasyy-Factoryy" in die Remisengalerie am Schloss ein. Die Gruppe legte, so viel ist gewiss und sei hier bezeugt, einen authentischen Auftritt im Stile der in den 70ern üblichen Soundexperiment-Gruppen hin. Wer seinerzeit "Amon Düül" oder den frühen Alben von Pink Floyd etwas abgewonnen hat, wurde reich beschenkt.

Und zwar in allen Facetten.

Den Psychedelic-Rock- Inszenierungen haftete ja schon früher zumeist etwas Introvertiertes an. Im Grunde waren diese Shows unspontan, lustfeindlich, unerotisch – eine Rückkehr in die Innerlichkeit, nach den irritierend lustvollen, körperbetonten Innovationen, die der westlichen Menschheit durch den Jazz, den Swing, den Rock’n’Roll, durch Elvis und die Beatles beschert worden waren.

Psychedelic-Rock hingegen hörte man mit dem Kopf. Zumeist erlebte man auf der Bühne Musiker, die auf Bühnenwerte wie Choreographie oder personale Präsenz nichts gegeben haben. Entsprechend wirken viele gesangliche Parts der Psychedelic-Frühzeit recht ausdruckslos dahingeraunt, zur Verstärkung der message musste die Technik den fehlenden spontanen Ausdruck wettmachen.

Nicht zu vergessen auch das Publikum: wenn man in den 70ern in irgendeinem Jugendzentrum einen Doppelauftritt zweier progressiver Bands miterlebte, dann tat man das in der Regel mit einer Flasche Bier in der Hand, stumm herumstehend, und dies über Stunden hinweg ohne größere körperliche Regung. Getanzt wurde nicht, und wenn doch, dann tat es jeder für sich und vor sich hin. Irgendwann kroch dann noch der Geruch von Dope durch die Reihen.

Bis auf das letztgenannte Phänomen erfüllte die Veranstaltung beim HKV alle der hier aufgezählten Kriterien. Will heißen: dem Hanauer Kulturverein ist es gelungen, das authentische Faksimile eines frühen Psychedelic-Konzertes nachzubilden, und dies unter Einbeziehung des Publikums, das sich so stilgerecht verhielt wie früher im Jugendzentrum.

Hinzu kamen noch eine Begleitausstellung mit Bildern im Stil der Pop-Malerei der späten 60er und 70er, darunter zum Beispiel ein Portrait des Science-Fiction-Pioniers Philip K. Dick, und die Pop-Art-Leinwandshow, die als Begleitung zur Musik lief (während allerdings 1970 für so etwas noch ein Diaprojektor hatte durchbrennen müssen, sorgt heute ein schicker Beamer für gestochen scharfe Bilder. Die Zeiten ändern sich). Bildergalerie und Bühnenvisualisierung basierten auf Werken von Helmut Wenske.

Und wer das Gefühl des Einsseins mit der 70er Psychedelic-Szene noch einmal live und authentisch für sich inszeniert haben möchte, der sollte sich ein Auftrittsdatum der Gruppe "Fantasyy-Factoryy" notieren. Um nochmal zu erleben, wie es wirklich war damals, lohnt auch eine Anreise von mittelweit her. Termine hat man per Internet schnell beisammen. Seit den 70ern ist eben manches einfacher geworden.
Wallonisch

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