Gender

Göttergleich

Im alten Griechenland waren die Götter des Olymp eine illustre Schar. Man wusste sich interessante Geschichten über sie zu erzählen. Mal setzte Liebesgöttin Aphrodite ihrem Angetrauten die Hörner auf. Mal legte des Göttervaters krankhaft eifersüchtige Gemahlin ihrem Göttergatten eine Szene hin, die sich gewaschen hatte.

Heute glauben wir nicht mehr an die griechischen Götter. Wir haben sie ausgewechselt. Unsere heutigen Götter sind auf die Erde herabgestiegen. Sie begegnen uns als Stars aus Film und Musik, als Adlige und als Politiker auf der "Wetten-dass"-Couch. Aus der "Bunten", der "Bild" und dem "Stern" erfahren wir zuverlässig, wer von denen gerade wieder eine Affäre laufen oder sich anderweitig daneben benommen hat.

Also konnte uns natürlich auch der Fehltritt des FDP-Spitzenkandidaten Rainer Brüderle nicht verborgen bleiben.

Brüderle soll, im weinseligen Gespräch zu fortgeschrittener Stunde, gegenüber einer Journalistin, deren Name "Himmelreich" ihm wohl wie eine Verheißung dünkte, eine anzügliche Bemerkung gemacht haben. Das war vor einem Jahr. Und wie bei den olympischen Göttern, so gilt natürlich auch für einen FDP-Kandidaten: Sexismus verjährt nicht.

Also fand sich Brüderle nun im Zentrum einer Sexismus-Debatte wieder. Aus der kommt er nur dann wieder heraus, wenn er sich denn nun endlich zu einer Entschuldigung durchringt. Ganz Politiker, der er ist, wird er dafür aber sicherlich noch den richtigen Moment abwarten.-

Das Wort Sexismus verknüpft man mit Erniedrigung. Wer abhängig ist, gesteht dem Anderen oft nur notgedrungen Worte und Taten zu, die in Wahrheit Übergriffe sind. Es geht hierbei also um die Ausübung von Macht.

Was allerdings Brüderle betrifft, so scheint mir der Charakter des abendlichen Machtverhältnisses zwischen ihm und der Journalistin nicht eindeutig geklärt. Wer, bitteschön, hat in der Dauerbeziehung Politiker-Journalist eigentlich Macht über wen?

Der Politiker weiss: Auf dem Olymp steht man immerzu auf der Bühne. Ständig gucken alle zu. Und er weiss auch: Journalisten haben einen Zettelkasten.

Wohl deswegen lächeln und lachen Politiker immer so angestrengt, wenn sie in die Kamera gucken. Und sagen immerzu so aalglatte Sachen, wenn sie gefragt werden. Nicht jeder von denen hält diese Fassade auch noch abends am Tresen aufrecht.

Ich finde, wenigstens diesen Freiraum sollte man den Politikern lassen. Außer, sie zetteln eine Kneipenschlägerei an und es müssen Polizei und Krankenwagen anrücken. Aber, ehrlich gesagt, das würde ich dem Brüderle denn doch nicht auch noch zutrauen wollen.

Das Image des Ingenieurs

Kürzlich las ich auf einer Internetseite den Satz: „Ingenieure verbessern die Welt, nicht Ideologen.“

Die Formulierung machte mich neugierig, weil ich sie nicht für alltäglich halte. Ingenieure gelten nämlich hierzulande bis heute als „erfinderische Zwerge“ (Bertolt Brecht) mit wenig Interesse an den gesellschaftlichen Wirkungen ihres beruflichen Tuns.

Höchstens hätte es also heißen dürfen: „Ingenieure verändern die Welt“. Aber „verbessern“? Da ist der deutsche Hang zum Zweifel vor. Und die gesellschaftskritischen Kommentare in unseren Qualitätszeitungen schildern die Ingenieurstätigkeit allzu oft in einem problembehafteten Umfeld. Waldsterben, Feinstaub, Emissionen – die Diskussionen um die zumeist als schädlich erachteten Einflüsse der Technik auf unsere Umwelt sind Legende. In anderen Ländern kommt in der öffentlichen Wahrnehmung die Technologie, und kommt eben auch der Ingenieur weit besser weg als hierzulande.

Nun geht es mir natürlich gar nicht darum, dass dem Ingenieur etwa unbedingt ein Mehr an Huldigung und Ehrerbietung zuteil werden müsste. Das wäre nämlich schon einmal gar nicht im Sinne des Ingenieurs. Im Grunde ist der Ingenieur nämlich ein bescheidener Mensch. Allzu viel Trubel ausgerechnet um seine Person würde ihm letztlich doch wieder nur seine wertvolle Zeit stehlen. Er hat nämlich zu tun. Er verfolgt seine Projekte, fleißig und lösungsorientiert, wie ihm ja überhaupt der streng zielführende Weg der liebste ist. Auf diese Weise verbessert er jeden Tag die Welt ein bisschen weiter, ohne dass er jemals groß darüber reden würde. Die so vorgelebte Bescheidenheit will jedoch im öffentlichen Diskurs nicht so recht als Positivmerkmal durchschlagen.

Es stellt sich die Frage, woran es wohl liegen könnte, dass die Ingenieurszunft in anderen Ländern einen besseren Ruf hat.

Vielleicht hat es damit zu tun, dass das Ingenieursein hierzulande zumeist eine männliche Angelegenheit ist. Es liegt nämlich der Anteil weiblicher Ingenieure nur in wenigen europäischen Ländern so niedrig wie in Deutschland. Womöglich ist dies ja ein Grund dafür, warum wir Ingenieure in der Öffentlichkeit so überkritisch angesehen werden. Vielleicht findet man uns einfach nur ein bisschen komisch, in unserer „Männerdomäne“.

Wenn aber so wenige Frauen in den Ingenieursberuf streben, und wenn gleichzeitig vom drohenden Ingenieursmangel die Rede ist, dann bedeutet das auch: Hier ist noch ein Reservoir zu erschließen!

In diese Richtung wird man auch an der Technischen Hochschule Berlin gedacht haben, als es dort im Jahr 2001 in Zusammenarbeit mit der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) zur Gründung des Kooperationsnetzwerkes Femtec gekommen ist. Die Zielstellungen von Femtec bestehen darin, „junge Frauen für ein technikwissenschaftliches Studium zu begeistern, ambitionierte Studentinnen zu fördern und auf einen erfolgreichen Berufseinstieg in führenden Technologieunternehmen vorzubereiten“, wie es in einer Eigendarstellung von Femtec heißt. Beratung, Workshops, Qualifizierung und Karrierebegleitung für technisch interessierte junge Frauen werden geboten. Firmen von Rang und Namen unterstützen das Projekt.

Das Werben für den Nachwuchs und die gleichzeitige Imagepflege für den Ingenieursberuf ergänzen sich an dieser Stelle in sympathischer Weise, wie ich finde.

Vielleicht wird es ja irgendwann auch bei uns in Deutschland wie selbstverständlich heißen können: „IngenieurInnen verbessern die Welt“.

Zeit dafür wär’s jedenfalls.

(Veröff. als Editorial in "PLUS" 12/2006)
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