26
Jan
2013

Erholung

Im aktuellen Bürgerblatt der Stadt Nidderau weckt man Verständnis für Holzarbeiten im Wald: "Mit Motorsäge, Keilen und Hämmern arbeiten sich Mitarbeiter des Forstamtes und Unternehmen durch den Stadtwald und den Bürgerwald. Große Harvestererntegeräte fällen, schälen und entasten Bäume. Rückezüge mit Kränen, Traktoren und sogar Pferde werden bis Ende März bis zu 6500 Festmeter Wertholz bewegt haben".

Das gehe auch gar nicht anders. Der Wald bleibe zwar "Erholungsort für die Bürger", sei aber auch ein "Nutzwald", und damit "ein Wirtschaftsbetrieb, der seit zehn Jahren schwarze Zahlen schreibt". Er beschere einen jährlichen "fünfstelligen Überschuss".-

Die öffentlich verkündete Umwidmung eines Waldes in eine Industriezone bringt aber offenbar auch Probleme mit sich. Neben einer (Zitat:) "Heerschar von Bürgern", die den Wald "einfach als Erholungsort nutzen", gebe es sogar immer mehr "Interessensgruppen", die man offenbar als Problemfall für den Wald ansieht: es seien dies z.B. Mountainbiker, Jogger, Jäger und Geo-Cacher. Jede Gruppe strebe "für eigene Zwecke maximalen Nutzen" an. Priorität genieße aber doch die Holzgewinnung, und zwar nicht zuletzt im Sinne noch höherer Ziele, nämlich "angesichts des Klimawandels".-

Ich versuche solche Darstellungen immer mit eigenen Erlebnissen abzugleichen. Als jemand mit jahrzehntelangem Waldwanderhintergrund in ganz verschiedenen Ecken unseres Landes meine ich, hier einwerfen zu dürfen, dass mir noch nie aufgefallen ist, dass unsere Wälder übermäßig von "Mountainbikern" und "Joggern" übervölkert werden. Mountainbiker im Wald sind in unseren Breiten eine zwar wahrnehmbare, aber insgesamt eher seltene Erscheinung. Öfter sieht man im Wald dagegen ganz normale Fahrradfahrer und Spaziergänger, die aber übrigens allesamt im Wald eher zu den leisen Besuchern gehören.

Dass diese "Heerscharen von Bürgern" auf einem Industriegelände nicht erwünscht sind, ist natürlich verständlich. Es darf aber die Frage erlaubt sein, ob ein "fünfstelliger Überschuss" es rechtfertigt, sanfte Stimmung gegen Menschen zu machen, die in einem Land des ausgewiesenen Fleißes ihre wohlverdiente Erholung im Wald suchen.

Die Umwandlung unserer Umwelt in einen Industriepark ist hierzulande nicht mehr bloß eine überdrehte Phantasie, sondern sie wird zunehmende Realität: Zum Landschaftsbild gehören inzwischen überall die großen Windmühlen. Auch auf See blickt man nicht mehr in den endlosen Horizont, sondern auf "Windparks". Riesige Stromtrassen sind in Planung. An vielen Stellen verschandeln Mobilfunkmasten auch die schönsten Berghänge.

Da muss wohl auch der Wald seinen "fünfstelligen Überschuss" beitragen. Die schöne neue Welt, sie grüßt uns mit Macht.

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