13
Mai
2007

Größer

Vielleicht kennen Sie das auch: Manchmal, im Supermarkt, kommen mir Orangen, Melonen, auch Äpfel oder Gurken bisweilen, irgendwie klein vor. Ich habe dann das Gefühl, früher sei das Obst größer gewesen.

Letzthin zum Beispiel nahm ich eine Wassermelone zur Hand, wog sie bedächtig hin und her, und fand das Obst dann einfach zu klein, legte es schliesslich wieder zurück ins Regal. Ja, früher scheinen diese Früchte größer gewesen zu sein.

Und wenn man richtig darüber nachdenkt, dann ist es ja auch in der Tat so gewesen: Früher, als kleiner Bub, als kleines Mädchen, da hatte man nun mal kleinere Hände. Alle möglichen Dinge waren einem damals folglich als groß, als riesig erschienen.

Daran kann man wieder einmal sehen, wie unsere Kindheitserlebnisse bis in unsere heutige, erwachsene Gegenwart hineinzuwirken vermögen. Immer wieder muss man als Erwachsener die Erfahrung machen, dass die Apfelsinen früher voluminöser, also wahrscheinlich auch besser gewesen sind.

Man lebt somit heute, als Erwachsener, mit der ständigen Erwartung einer Enttäuschung, sobald man sich dem Obstregal nähert. Was für ein verhutzeltes Obst die heute wieder anbieten. Bei manchen Leuten wächst sich diese in ihrem Grunde pessimistische Erwartungshaltung bisweilen sogar zu einer rundum negativen Lebenseinstellung aus. Womöglich sogar zu einer Neurose. Solche Leute sind mit nichts zufrieden zu stellen, wollen immer mehr, immer Größeres, und das auch noch jetzt sofort und ohne Warten (wohl, weil Mama auch früher schon bei jedem Gieks angerannt gekommen ist).

Ich vermute, dass hier die Gründe dafür zu finden sind, warum, bisweilen unter Einsatz modernster Gentechnik, immer größere Früchte gezüchtet werden müssen. Oder warum zum Beispiel die Hamburger immer größer werden (mittlerweile gibt es nicht mehr nur Doppel-, sondern bereits Dreifachburger). Oder warum heutzutage die Autos zu riesigen Geländewagen aufgepumpt werden, bis sie schliesslich so aussehen wie große Versionen der kleinen Matchbox-Autos, mit denen wir früher gespielt haben.

Warum also scheint alles immer größer werden zu müssen? Ich für mein Teil, ich glaube, es stecken unsere nicht bewältigten Kindheitserfahrungen dahinter. Früher, als wir Kinder gewesen sind, war alles nicht nur besser, sondern eben auch größer. Und die Zeiten sind deswegen besser gewesen, weil alles größer war.

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